The Swinging Forties Jazzband

Piratensender und das Radio/Fernseh-Monopol

 

 

alles kalter Kaffee, werden einige sagen. Dass es aber heute private Radio- und TV-Stationen gibt, ist einem langen
'Kampf' von verschiedenen Piraten-Radiostationen in der Schweiz zu verdanken.

30 Jahre sind schon vergangen, seit meinen Aktivitäten um das Aargauer Piraten-Radio namens 'Jamaika' mit welchem
wir regelmässig am Sonntagabend ab verschiedenen Standorten unser vorbereitetes Programm ab Tonbandkassette
sendeten. Unser Sender, damals einzigartig in der Scene, quartzstabilisiert und in Stereo.

 

 

Was damals im staatlichen Radio Seltenheitswert hatte, haben wir jung und frech umgesetzt. Wir haben den Zuhörern über
das angeschlossene Mikrofon die Nummer einer Telefonkabine live durchgegeben. Da war einer vom Team vor Ort und nahm
die Wunschsongs und Grüsse entgegen, die wir dann in die Sendung vom kommenden Sonntag einbauten.

 

 

Wir haben alles daran gesetzt, nicht wirklich nach Piraten zu tönen, sondern gleich zu Anfang mit Qualität zu überraschen.
Es war unser Ziel aufzuzeigen, dass auch mit kleinstem Budget private Radiostationen möglich sein könnten, sodenn die
Politik dies irgendwann mal später checken würde.

 

 

Wir waren gut organisiert. Ein Team nahm den beschwerlichen Weg mit dem Sender, der Autobatterie, der Antenne, dem Mikro
und dem Kassettengerät unter die Füsse, meist auf eine geeignete Anhöhe. Da ging es ab und zu hektisch zu und her, ging es
doch darum, bei 'Gefahr' immer auch wieder rechtzeitig verschwinden zu können.

 

 

dabei hatte die 'Umsicht' erste Priorität. Unterstützt wurde das Sende-Team von weiteren Helfern mit der Aufgabe, die
Zufahrtswege zum Sender nach PTT-Peilwagen und Polizeifahrzeugen zu überwachen. Bei 'Gefahr' wurde das Team um den
Sender mit Funkgeräten gewarnt, was je nach aktueller Lage gelegentlich zum Unterbruch der Sendung führte.

 

 

Es war ein richtiges Game für Katz und Maus, oft Sonntage in Frieden und ohne 'Belästigung', dann wieder Sonntage, die
dann auch mal wieder in Schnell-Lauf und sportlichen Höchstleistungen endete. Dabei gingen schon mal diverse Auto-
Batterien ins gegenerische Lager über, sie waren einfach zu schwer. Den Sender und die Antenne, erwischten sie nie.

 

 

Wir hatten oftmals viel Unterstützung durch Symphatisanten, auch die Presse berichtete von unserem Treiben. Selbst be-
teiligte Polizisten, die ja nur zur Sicherung der damaligen PTT-Untersuchungsorgane aufgeboten wurden, schmunzelten über
dieses Spiel. Wir wurden auf den Polizeiposten immer freundlich behandelt, obwohl auch schon mal Montagmorgens um
fünf wurde, bis der PTT-Beamte schläfrig wurde.

 

ganze Pressemappe im PDF

 

Trotzdem haben wir immer wieder weitergemacht, Sonntag für Sonntag, ob Regen oder Sturm, Radio Jamaika war ab 20.00
Uhr im Aether, präsent, um das Staats-Monopol anzuknacken, vorsätzlich und bewusst. Es gab daraus aber auch eine tolle
Gruppendynamik, wir konnten immer auf genügend Helfer, Überwacher und Springer zählen. Ein tolles Erlebnis, wie es heute
viele nicht mehr kennen.

Dass dieses Spiel nicht immer zu unseren Gunsten enden konnte, war uns auch klar. Wir hatten im Team auch Weichware,
die bei der kleinsten Befragung dann wirklich weich wurden und zu plappern begannen. Wer, Wie, Wo, Was - und schon zog
sich der Kreis zugunsten der 'Fahnder' zu. Wer sich interessiert, darf ruhig mal in den Akten stöbern - und auch schmunzeln,
was damals noch Sache war.

 

Schlussprotokoll detailiert im PDF

 

Gegen die Strafverfügung haben wir regelmässig Berufung eingelegt, um die Urteile der Untersuchenden und Verfügenden
Behörde (PTT) in Personalunion durch ein Zivilgericht beurteilen zu lassen. Dies hat dann regelmässig zu grösseren Korrekturen
zu unseren Gunsten geführt. Heute kann man nur noch den Kopf schütteln, was war damals technisch anders als heute?

Auszug aus der Strafverfügung:

Strafverfügung detailiert im PDF

 

da hatten sich noch die Gerichte mit Radio Jamaika zu befassen, wir waren mit den Strafzumessungen der Pöstler und der
Staatsanwaltschaft gerade überhaupt nicht einverstanden. Ganze 27 Seiten umfasst das motivierte Urteil des Bezirksgerichts
Kulm.

 

detailiertes Urteil im PDF

 

Das Gericht befand die Total erfassten erfolgreichen Sendungen während 2 1/2 Jahren 'ein starkes Stück'. Interessant ist
auch die Relation des Gerichts, dass wir also keine Störung des 'schweizerischen Alarmsystems' darstellten, da unsere
Frequenz von keinem anderen offiziellen Sender benutzt wurde.

 

Ich habe in dieser Zeit als 'Rädelsführer' enorm viel gelernt und möchte diese Zeit nicht missen. Heute ist vieles anders - und doch vielleicht wieder gleich. Heute dürfen wir dieses, dafür das Andere nicht mehr. Der Kreislauf ist geschlossen.

danke fürs Lesen
Heinz

 

 

hier noch ein Bericht über die Piraten-Radioscene von Frau Karin Steiner.